Lieferkettenstabilisierung: Welche Möglichkeiten gibt es?


Wie bei den vielen vorherigen Krisen betont auch die derzeitige geopolitische Lage die Bedeutung eines strategischen Lieferanten- und Risikomanagements für viele Unternehmen. Einkäufer und Supply Chain Manager haben aus vergangenen Krisen gelernt und ihre Einschätzung von Chancen und Risiken neu kalibriert. Der Risikoappetit ist deutlich geringer als noch vor einigen Jahren. Entsprechend sind immer mehr Unternehmen damit beschäftigt, die Risiken in ihren Lieferketten neu zu bewerten und ihre Beschaffungsstrategien anzupassen. Im Folgenden skizzieren wir ausgewählte Maßnahmen zur Bewältigung aktueller Risiken im globalen Kontext.

Trend zur globalen Entkopplung

Viele Unternehmen reagieren auf den Taiwan-Konflikt und die Abhängigkeit von China mit einer globalen Entkopplung. Dies äußert sich in einer verstärkten Lokalisierung der Beschaffung und Produktion nach Kontinenten. Unternehmen suchen nach alternativen Standorten für die Produktion und bringen die Lieferquellen näher an ihre Produktionsstätten, um die logistischen Lieferketten zu verkürzen und die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen.

Geographische Diversifizierung

Um Abhängigkeiten und damit verbundene Risiken zu verringern, diversifizieren Unternehmen ihre Produktions- und Lieferketten geografisch. So verlagern Unternehmen Produktionsstätten und Lieferquellen aus China in andere südostasiatische Länder. Aufgrund niedrigerer Arbeitskosten, Investitionsanreize und relativer politischer Stabilität sind beispielsweise Vietnam und Indonesien attraktive Standorte geworden.

Beschaffungstrend Nearshoring

Ein weiterer Beschaffungstrend vor dem Hintergrund geopolitischer und globaler Risiken ist das Nearshoring. Dabei konzentrieren Unternehmen ihre Lieferanten in der Nähe ihrer Werke oder Absatzmärkte. In Europa gehören dazu Länder wie die Türkei.

Durch das Nearshoring werden Abhängigkeiten von langen logistischen Lieferketten reduziert, die von politischen oder klimatischen Risiken betroffen sein können. Außerdem werden Lieferzeiten verkürzt und Risiken im Transportwesen verringert. Allerdings kann Nearshoring auch höhere Produktionskosten bedeuten.

Lokalisierung von Produktion und Beschaffung

Viele Unternehmen setzen auch auf die Lokalisierung ihrer Produktion und Beschaffung, indem sie Produktionsstandorte in den Ländern errichten und die Beschaffung dort ansiedeln, in denen sie ihre Produkte verkaufen oder eine hohe Nachfrage erwarten. Dadurch können sie näher an ihre Kunden heranrücken, schneller auf Nachfrageschwankungen reagieren und die Transportkosten senken.

Ein Beispiel dafür ist ein deutsches Unternehmen, das ein Werk in China hat und seine Beschaffung dort ausbaut, um die Anforderungen der chinesischen Kunden zu erfüllen. Wenn das Unternehmen nicht in China produziert und auch keine lokalen Zulieferer hat, wird es Schwierigkeiten haben, seine Produkte in China zu vertreiben.

Dieser Trend zur Lokalisierung auf Kontinent Ebene zeigt auch, dass der Wettbewerb um globale Märkte zunehmend auf regionaler Ebene stattfindet. Unternehmen müssen in der Lage sein, die Bedürfnisse ihrer Kunden in den Zielmärkten zu verstehen und zu erfüllen, um erfolgreich zu sein.

Grundsätzliche Maßnahmen für widerstandsfähige Lieferketten

Um Lieferketten widerstandsfähiger zu machen, gibt es weitere grundlegende Maßnahmen, die Unternehmen prüfen können. Eine Zweilieferantenstrategie hat sich etabliert, um Lieferengpässe durch den Ausfall eines Lieferanten zu vermeiden. Es kann entweder eine konkrete Dual-Sourcing-Strategie verfolgt werden, bei der Waren von zwei Lieferanten bezogen werden, oder eine Second-Sourcing-Strategie, die die Option bietet, von einem zweiten Lieferanten Waren zu beziehen. Beide Varianten unterscheiden sich vom Single-Sourcing, bei dem bewusst nur ein Lieferant ausgewählt wird. Bei einer Sole Source gibt es nur einen einzigen Lieferanten.

Aufgrund der fragilen Lieferketten holen Unternehmen Teile ihrer Produktion, die bisher von Lieferanten bezogen wurden, durch Insourcing wieder ins eigene Unternehmen zurück. Dadurch kann das Risiko verringert werden, allerdings bindet es auch mehr Kapital und Ressourcen. Know-how, Fachkräfte und die erforderlichen Einrichtungen müssen aufgebaut werden.

Pufferlager für wichtige Rohstoffe oder Vorprodukte können Engpässe im Falle einer Krise abfangen. Da dies zusätzliche Lagerhaltungskosten verursacht, Kapital bindet und das Risiko von veralteten Waren birgt, sollte sorgfältig überlegt werden, für welche Produkte und in welcher Form Sicherheitsbestände angelegt werden. Die Bestandsführung sollte transparent erfolgen.

Eine offene und partnerschaftliche Kommunikation mit wichtigen Lieferanten und Kunden ist ebenfalls wichtig, um Risiken rechtzeitig zu identifizieren und gemeinsame Lösungen zu finden. Lieferantenbesuche und eine kontinuierliche Bewertung der Lieferanten sind wichtige Ansätze.

Darüber hinaus sollten Unternehmen ihre Mitarbeiter regelmäßig schulen und trainieren, um sie für mögliche Risiken im strategischen Einkauf und in der operativen Beschaffung zu sensibilisieren und ihnen die Fähigkeiten zu vermitteln, auf unvorhergesehene Ereignisse zu reagieren.

Last but not least treiben Unternehmen die Digitalisierung ihrer Lieferkette voran, indem sie beispielsweise Bestellprozesse automatisieren oder das Tracking von Lieferungen verbessern.

Durch die Digitalisierung können Prozesse schneller, effizienter und transparenter gestaltet werden, was dazu beiträgt, Engpässe zu vermeiden. Auf Basis von Daten über Lieferanten, Transportwege oder Bestellstatus kann ein Frühwarnsystem aufgebaut werden, um Störungen in der Lieferkette frühzeitig zu erkennen und zu beheben. Die Transparenz der Lieferketten ist entscheidend für ein funktionierendes Risikomanagement. Überwachen Sie daher Ihre Lieferketten durch Echtzeit-Tracking und vorausschauende Analyse.

Wenn ein Risikomanagementsystem einmal im Unternehmen implementiert ist, ist der zusätzliche Aufwand im täglichen Geschäft gering. Die Kosten, die beispielsweise durch einen plötzlichen Ausfall eines Lieferanten entstehen könnten, sind wesentlich höher als die Aufwendungen für Implementierung und Betrieb eines fundierten Lieferketten-Risikomanagements.

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